Kleine Oszilloskop-Schwemme

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chronos42
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Kleine Oszilloskop-Schwemme

Beitrag von chronos42 »

Wie die Überschrift schon sagt, ich habe hier eine kleine, ungeplante, Oszilloskop-Schwemme. Drei Geräte standen hier schon teilweise seit Jahren herum. Sie hatten saublöde Fehler, es fehlten Ersatzteile, ich hatte keine Zeit, keine Lust usw. usv. Das Zeug stand nur im Weg rum, was also tun? Als Schrott bei eBay verkaufen? Kann man machen, jemand freut sich bestimmt über einen Ersatzteilspender oder ist so blöd wie ich und kauft so etwas aus reinem Spaß an der Freude...Auf den ganzen Mist mit fotografieren, verpacken, versenden usw. hatte ich aber wirklich keine Lust, da der zu erwartete Erlös in keinem sinnvollen Verhältnis zum Aufwand steht. Also: Wertstoffhof. Der war aber die ganze Zeit geschlossen wegen Corona. Dann kam Homeoffice, wochenlang, wegen Corona. Da mein Arbeitgeber derzeit kaum Aufträge ausführen kann, wegen....genau, Corona, kam jetzt auch noch Kurzarbeit dazu. Ungewollte Freizeit ohne Ende.
Folge: Langeweile und überlegen, was man denn Sinnvolles machen kann. Z.B. endlich mal die Altfälle erledigen. Vor dem Transport zum Wertstoffhof war nun genug Zeit alle Geräte noch mal gründlich anzuschauen. Da waren außer diesen Oszilloskopen noch andere Geräte dabei, auf die will ich jetzt nicht weiter eingehen, nur so viel: Vier Reparaturen waren erfolgreich, eine endete final mit Wertstoffhof, der jetzt wieder geöffnet hat.
Zwei der Oszilloskope haben eine „gemeinsame“ Reparaturgeschichte, beginnen wir also damit, es geht um zwei Hameg Geräte, Typ HM1004-3 und HM504.
Das HM 1004 ist ein recht gutes, prozessorgesteuertes 100MHz Analog-Scope mit 12 KV Nachbeschleunigung und digitalem Readout. (Die Röhren beider Geräte stammen übrigens von einer von Philips ausgegliederten Röhrenproduktion, eine Firma die noch einige Zeit Oszilloskopröhren fertigte unter eigenem Namen.)
Der Hameg HM504, ein 50MHz Gerät mit erweitertem digitalen Readout, hat zu meiner Überraschung nur 2KV Beschleunigungsspannung und keine Nachbeschleunigung. Da ist eine Röhre mit hoher Lichtausbeute eingebaut, erkennbar an dem grünen Phosphor. Das Gerät ist aber dennoch nicht wirklich schlecht. Kein Laborgerät natürlich, aber für viele Serviceaufgaben gut geeignet. Er hat sogar, neben der Cursorfunktion, eine eingebaute kontinuierliche Spannungsmessung und einen Frequenzzähler, beides abgeleitet aus den Triggerdaten.

Was mir an den beiden Hamegs aber im Nachhinein tatsächlich gefällt ist folgendes: Die Qualität der Y-Kette und die Linearität der Timebase ist erstklassig bei diesen beiden Geräten. Nach Abgleich mit einem Time Mark Calibrator (TM 501A) stimmen die Zeitmarken über den gesamten Bildschirm ganz exakt für alle Ablenkzeiten, auch am linken und rechten Bildschirmrand. So gut hat das nicht mal mein (inzwischen verkaufter) Tek 2246A hinbekommen. Und das alles ohne Spezialteile wie Hybride, Custom ICs usw, wie bei Tek oder Philips, fast alles gewöhnlich Standardbauelemente. Ein billiges FPGA für die Steuerung des Triggersystems und der Zeitbasis, ein paar DACs, Operationsverstärker und Transistorarrays, zusammen mit Standard SMD Bauteilen, zwei Z80 basierende Controller, fertig ist das Oszilloskop. Das einzige Custom IC ist der Readout-Chip.

Was war defekt?
Beim HM1004 war keine Bedienung möglich, alle Drehgeber funktionierten nicht, nur die Tasten. Ursache war ein defekter Prozessor, der für die Auswertung der Quadratursignale der Drehgeber zuständig ist und diese Daten dann an den Hauptprozessor liefert. Ein kleiner Zilog OTP Prozessor macht diesen Job, er war komplett tot, wurde zudem sehr warm. So etwas kommt sehr selten vor und es hat oft eine Ursache, die nichts mit dem Prozessor selbst zu tun hat. Hier ist auf jeden Fall ein Originalteil notwendig, es gibt diesen Prozessor zwar noch zu kaufen bei eBay-Händlern , aber natürlich unprogrammiert. Selbst wenn ich den Programmcode gehabt hätte, ich hätte nichts damit anfangen können. Zu meiner Überraschung unterstützt keiner meiner Programmer Zilog Prozessoren, und das sind nicht nur billige China Teile. Ist mir nie zuvor aufgefallen da ich nie einen Zilog Prozessor programmieren musste. Also brauchte ich einen Ersatzteilspender. Dieser fand sich kurzfristig und preiswert in Form des HM504, der als Defektgerät billig angeboten wurde und an dem niemand Interesse zeigte. Ich habe den gar nicht erst in Betrieb genommen, sondern nur den Prozessor entfernt und in den HM1004 implantiert. Dieser ließ sich nun bedienen, doch die Freude währte nur kurz. Das Bild wurde nach kurzer Zeit größer und begann bei großer Helligkeit zu pumpen, also ein Netzteil oder Hochspannungsfehler. Aber er machte das nur zeitweise, manchmal lief er auch stundenlang fehlerfrei. Manchmal schaltete er sich sporadisch komplett ab bzw. der Hauptprozessor und / oder der Readoutprozessor stürzten ab. Es folgte eine lange und erfolglose Suche im Netzteil und HV Generator in dem sehr schlecht zugänglichen Netzteilmodul. Ich kam da nicht weiter, hatte auch keine besondere Motivation mehr und beide Geräte verschwanden deswegen für lange Zeit im „Schrotteck.“ Dann kam Corona und es ging weiter. Oft hilft es wirklich etwas mal liegen zu lassen, wenn man sich in etwas verrannt hat. Ich habe beim HM1004 dann mal überlegt was das Gerät zum Absturz bringen kann, dabei fiel mir noch die Kaskade ein, den Rest des Netzteilmoduls konnte ich nahezu ausschließen, da war kein Fehler zu finden. Also mal den Strahlstrom messen. Dazu habe ich eine Tek TCP202 Stromzange, angeschlossen an einem Tek Digitalscope, genommen und diese um das HV Kabel zur Bildröhre gelegt. Den eigentlichen Strahlstrom sieht man damit nicht, dazu ist er zu gering. Aber man sah etwas viel Interessanteres. Wenn das Gerät bei großer Helligkeit anfing zu pumpen und plötzlich seine Funktion einstellte, registrierte das Digitalscope einen Strompeak von über 10A! Somit war klar das es in der Kaskade Entladungen geben muss, (die nicht hörbar waren) abhängig vom Strahlstrom. Diese Pulse brachten auch die Prozessoren zum Absturz, irgendwie scheint der Strompuls von der Ground-Seite her einen Weg über die Frontplatte mit den Prozessoren genommen zu haben. Das hat mit Sicherheit auch den einen Prozessor zerstört, von selbst gehen die so gut wie nie kaputt. Die Kaskade konnte ich neu besorgen bei einem eBay Verkäufer, der (auch) einige Hameg-Teile verkauft. Schönen Gruß an hf-doc, falls er hier mitlesen sollte. Man bekommt das Teil aber auch bei Sky Electronik, die Firma hat das Hameg Servicegeschäft von R&S übernommen. Nach Tausch der Kaskade funktioniert das Gerät wieder einwandfrei. Mir ist aber nicht klar wie dieser Überschlag so in der Kaskade stattfinden konnte und warum das Strahlstromabhängig war. Eine kurzgeschlossene Kaskade habe ich schon oft gehabt, das ist nichts ungewöhnliches, aber so etwas habe ich noch nie bei einer Kaskade gesehen. Nun ja, egal, das Gerät läuft zuverlässig und hat einen 24 Stunden Dauertest unbeschadet überstanden, Fall geschlossen.

Der HM504 und der Fluke (Philips) 3380B kommen irgendwann in einem zweiten Teil.

Grüße
Karlheinz
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